Endlich wieder vereint


Nach einem halben Jahr war es endlich wieder so weit.
Ich fuhr zum Flughafen und blickte auf die Anzeigetafel. Das Flugzeug war schon gelandet. Dann drehte ich mich zur Seite und sah meine Eltern. Sechs Monate lang hörte ich ihre Stimmen nur durch mein Handy und starrte auf ein verpixeltes Bild während unserer Videochats. Nun konnte ich sie endlich wieder in den Arm nehmen. Es fühlte sich nicht so an, als hätten wir uns eine so lange Zeit nicht mehr gesehen.
Die nächsten fünf Wochen werden meine Eltern in Nicaragua sein. Lernen meine Gastfamilie kennen, meine Arbeit in der Schule, gewinnen Einblicke in mein Alltagsleben und meine neue Heimat.
Aufgrund meiner Arbeitspflichten war ich nicht in der Lage die ganzen 5 Wochen ihr privater Reiseführer zu sein und sie durch Nicaragua zu begleiten, aber zumindest die Wochenenden und Osterferien (Semana Santa) verbrachten wir zusammen.
Zunächst aber fuhren wir gemeinsam von Managua in Richtung San Rafael, wo ich lebe.
Mit reichlich Gastgeschenken und sehr, sehr,sehr viel Süßigkeiten trudelten wir bei mir Zuhause ein.
Ein fröhliches Zusammentreffen. Meinen Eltern stellte ich meine Gastfamilie vor und zeigte ihnen mein Zuhause.
,, Du bist echt taff!“, meinte meine Mama.
Natürlich, verglichen zu meinem deutschen Zuhause mit meinem schönen Zimmer und Bad lebe ich doch sehr einfach hier in Nicaragua. Aber ich habe mich daran gewöhnt und so ist das, was meine Eltern noch ein wenig schockte, für mich längst normal.
Ich führte meine Eltern durch die Kleinstadt und stellte ihnen die anderen Freiwilligen vor, die für mich in den letzten Monaten auch zu einer kleinen, wichtigen Familie geworden sind.

Meine Gastmutter kochte noch ein leckeres Essen für uns. So konnten Mama und Papa auch mal von Mama Flors Kochkünsten schmecken.


Am Nachmittag gingen wir gemeinsam zum Unterricht. Ich versuchte zwar einen normalen Unterricht durchzuziehen, aber meine Eltern bekamen doch recht viel Aufmerksamkeit und so scharten sich vor allem die Jungen um meinen Dad, der mit ihnen über Fußball fachsimpelte. Obwohl er kein Spanisch kann, hingen die kleinen Fußballer an seinen Lippen.







An den darauf folgenden Wochenenden fuhren wir in die Städte Masaya und Leon.
Viel Spaß hatten wir an der Laguna de Apoyo, die für eine herrliche Erfrischung sorgte.
Wir schlenderten über den großen, vielseitigen Markt in Masaya, genossen frisch gepressten Orangensaft, probierten typisch nicaraguanische Kleinigkeiten, schwitzten im heißen Leon, fuhren gemeinsam an den Strand und besichtigten die vielen Kirchen der Stadt.



Dann verabschiedete ich mich von meinen Eltern für ca. 2 Wochen, in denen sie nun alleine ohne mich Nicaragua erkundigten. Ich hatte nämlich nicht nur Arbeit auf dem Pflichtprogramm, sondern auch ein Zwischenseminar.
In der letzten verbliebenen Woche hatte ich aber das Glück, selbst Ferien zu genießen. Osterferien. Die hier so genannte Semana Santa. Wo wir diese Woche jedoch am besten verbringen, war zunächst nicht klar. Denn in der Semana Santa sind die Küsten rappelvoll, da viele Nicas selber Urlaub machen. Wir wollten natürlich nicht gerade an die vollen Strände und Städte. Also entschieden wir uns an den Rio San Juan zu fahren und die Islas Solentiname zu bereisen. Dort war ich selbst nämlich auch noch nicht.
Bis dahin ist es aber ein weiter Weg Richtung Süden des Landes.
Die Hinfahrt gestaltete sich ziemlich stressig. Die Busse waren alle voll. Aber ein extra Express Bus sollte noch kommen. Zwar mussten wir noch 5 h auf diesen warten, aber was anderes blieb uns nicht übrig.
Leider entpuppte sich der doch so schön erhoffte Express Bus als Chickenbus. Na toll. Egal, dann halt los.
Gegen Mitternacht kamen wir in San Carlos, eine Stadt am Rio, an. Ohne Unterkunft und total übermüdet.
Eine Frau rief in den Bus hinein „ Unterkunft für 50 Cordoba (weniger als 2 €). Matratze auf dem Boden!“. Na das klingt doch "gut". Wir hatten keine andere Wahl, also sprachen wir die Frau an und folgten ein paar anderen Menschen zur Unterkunft.
Was wir dann aber sahen, schockte selbst mich. Ein großer Schuppen mit einfachen Matratzen auf den Asphaltboden geschmissen, wo es sich bereits andere Nicas bequem gemacht hatten, rauchten und auf den Boden spuckten. Aber wenigstens war es sicher und da wir ohnehin in ein paar kurzen Stunden die nächste Fähre Richtung El Castillo nehmen wollten, schnappten wir uns jeder eine Matratze und versuchten die Nacht so gut wie möglich zu überbrücken. Was nicht so einfach war, denn immer wieder brachen einige der Untergekommenen auf, wickelten ihre Kinder, telefonierten oder hörten Musik. Der Regen, der durch das Dach auf unsere Matratzen tropfte, konnte uns dennoch nicht aus der Fassung bringen. 
Um 5.00 Uhr liefen wir zum Hafen mit dem Plan die 6.00 Uhr Fähre zu nehmen. Die war allerdings schon voll. Also nochmal 2 h warten. Zum Glück gab es in der Nähe eine leckere Bäckerei, wo wir uns Frühstück besorgten. Nach geschlagenen zwei Stunden fuhren wir dann den Rio Richtung El Castillo entlang. Die Natur wurde mit jeden zurückgelassenen Metern schöner. Allerdings hatte ich doch mit mehr Tiervielfalt gerechnet.
Diese Erwartungen wurden jedoch die gesamte Woche nicht erfüllt.
Wir erkundeten das schöne Städtchen El Castillo und machten eigenständig Wanderschaften durch die Natur.

Leider hat es meinen Vater und mich am zweiten Tag mit Magendarmproblemen erwischt. Sodass die Rückfahrt auf der Fähre ziemlich unangenehm war. Zurück in San Carlos schleppte ich mich erschöpft vom Boot.
Dann trafen wir zufällig auf einen süßen kleinen Papageien, der sehr zutraulich war und nicht mehr von unsere Seite wich. Wir konnten ihn von der Hand füttern. Als ich aufstehen wollte, klammerte er sich an meinen Rucksack fest. Ich hätte ihn zwar gerne noch weiter mitgenommen, aber das geht natürlich nicht.







Wir suchten schnell eine Unterkunft auf, in der ich und mein Papa uns ausruhen konnten. Der eigentliche Plan war es direkt weiter auf die Islas Solentiname zu fahren, aber dafür war ich zu schlapp. So fuhr lediglich meine Mama auf die Inseln vor. Ich folgte ihr am nächsten Tag. Perfekt ging es mir zwar immer noch nicht, aber ich wollte unbedingt auf diese unberührten Inseln.
Die Islas Solentiname umfassen insgesamt 36 Inseln, die im Süden des Nicaragua Sees liegen.
2 Nächte blieben wir auf einer der Inseln. Zum Glück ging es mir bald wieder besser, sodass ich die Insel umwandern konnte.
Meine Mama und ich nahmen auch an einem Kunstkurs teil, bei dem man aus sehr speziellem, leichtem Holz ein kleines Kunstwerk schnitzen und anschließend bemalen konnte. Das war gar nicht so einfach und erforderte hohe Konzentration. Die Ergebnisse lassen sich aber sehen.

Am Samstag ging es dann auch wieder zurück nach Managua, die Hauptstadt Nicaraguas.
An unserem letzten gemeinsamen Tag liefen wir noch durch die Stadt und aßen zum Abschluss lecker Pizza (die bekomme ich hier nämlich nie).

Als dann die Zeit gekommen war, Abschied zu nehmen, wurde mir klar, dass ich meine Eltern erst wieder sehen werde, wenn ich selbst in Deutschland bin. Aber das Wiedersehen hat die Sehnsucht gestillt, zumindest vorzeitig und ich bin glücklich, dass sie einen Einblick in mein Leben gewonnen haben.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Aller Abschied ist schwer

Glück im Unglück

Ein ganzes halbes Jahr